Schöne Landschaften und Andeutungen vom Klassenkampf – Filmbesprechung „Die Reise des jungen Che“

Der junge Che Guevara ist
noch nicht fertig mit seinem Medizinstudium. Mit seinem Freund Alberto Granado
plant er eine neunmonatige Reise durch Lateinamerika (Argentinien, Chile, Peru,
Kolumbien, Venezuela). Der Film schildert diese Reise mit wunderbaren Bildern
von Lateinamerika und seinen Menschen. Die Reise auf der klapprigen Norton 500,
die sie liebevoll „La Poderosa“ (die Allmächtige) nennen, ist abenteuerlich.
Man wundert sich, wie viele Stürze und Landungen im Straßengraben Menschen und
Motorrad immer wieder überleben. Als das Motorrad auf dem Schrottplatz endet,
wird die Reise zu Fuß, auf der Pritsche von LKWs, in uralten Bussen
fortgesetzt.

Che MotorradEr schildert ebenso die
allmählicher Veränderung des aus einer gutbürger- lichen Familie stammenden jungen
Che, der aufbricht, um Mädchen aufzureißen und durch die Begegnung mit
indigenen Bauern, die von den Großgrundbesitzern vom Land vertrieben wurden,
mit Minenarbeitern, die gnadenlos ausgebeutet werden, allmählich die soziale
Realität kennen lernt. Der Film zeigt Che richtig als einen Idealisten, der sich
spontan für die Menschen einsetzt. Er macht deutlich, dass Che Revolutionär aber
kein Marxist ist. Che staunt als er zum ersten Mal einem Indio-Paar begegnet, das
vom Land vertrieben auf der Suche nach Arbeit umher vagabundiert und sich als
Kommunisten bezeichnet. Die Naivität Ches überrascht immer wieder. So hält er
beim Abschied von ihrer vorletzten Reisestation, einem Leprakrankenhaus, eine
flammende Rede für den gemeinsamen Kampf der lateinamerikanischen Völker. Dabei
meint er, die lateinamerikanischen Ureinwohner seine eine Einheit von Mexiko
bis nach Feuerland gewesen und die Grenzen der Staaten willkürlich durch die
Spanier gezogen worden. Der Aufruf zur Einheit ist zwar richtig, die
Glorifizierung der Ureinwohner, wie man sie heute noch bei einigen
Befreiungsbewegungen findet, jedoch falsch. Tatsächlich gab es historisch eine
solche Einheit nicht. Als die Spanier Lateinamerika eroberten, war dies ein
Flickenteppich kleiner bis großer Staaten bis hin zu Imperien wie dem der Azteken
in Mexiko und der Inkas in Peru, die auf Gewalt und Ausbeutung beruhten. Es gab
unterschiedliche Sprachen, Kulturen und Nationen. Die Spanier nutzten diese
Zersplitterung und die imperiale Unterdrückung durch Azteken und Inkas aus, um
die verschiedenen Völker gegeneinander auszuspielen und so mit nur schwachen
militärischen Kräften einen ganzen Kontinent zu unterwerfen. Erst durch die Spanier
wurde ein einheitliches Lateinamerika geschaffen und die heutigen Grenzen
entsprechen weitgehend den von den Spaniern geschaffenen Verwaltungsstrukturen.
Che kümmerte sich also nicht um Geschichte oder fundiertes theoretisches
Wissen, er wurde getrieben von seinen Gefühlen, von seinem spontanen Bedürfnis
nach Gerechtigkeit. Das war seine Stärke und seine Schwäche zugleich. Seine Gefühle,
sein Mut, seine Opferbereitschaft und sein Kampf für Gerechtigkeit beeindruckt
noch heute Millionen Menschen, vor allem Jugendliche in aller Welt. Sein
fehlendes Fundament wurde ihm zum Verhängnis in seiner tragischen Rolle in der
kubanischen Revolution und seinem zwar heldenhaften, aber zugleich
aussichtslosen Kampf bis zum Tod in Bolivien.

Der Film endet mit der
Abfahrt aus dem Leprakrankenhaus. Er ist eine Liebeserklärung an Lateinamerika
und die Bauern und Arbeiter dort. Er ist zugleich ein einfühlsames Denkmal für
den Revolutionär Che, dessen Schwachpunkte aber nebenher deutlich werden.
Leider geraten die brutalen Unterdrückungs- und Ausbeutungsverhältnisse in
Lateinamerika angesichts der grandiosen Landschaft und Natur immer wieder in
den Hintergrund.

Insgesamt ist der Film
ausgesprochen sehenswert und zugleich lebendige, gute Unterhaltung.
ernst