Korrespondenz: Offener Brief an die baden-württembergische Kultusministerin Schavan

Heidelberg, den 14. November 2004

 Sehr geehrte Frau Schavan,

mit Entsetzen entnehme ich soeben den Medien, dass Sie sich dafür
aussprachen, in Moscheen Deutsch zur Pflichtsprache zu machen. Ich
frage mich, was Sie damit bezwecken. Es scheint symptomatisch für Ihre
Politik zu sein, Frau Schavan, dass Sie, wann immer es um Minderheiten
geht, viel von Zwang, gesetzlicher Pflicht und juristischen Keulen
halten. Gleichzeitig lassen Sie christlichen Glaubensgemeinschaften
jedwede Bevorzugung zukommen. Sie treten Recht mit Füßen, wenn Sie
muslimischen Lehrerinnen das Kopftuchtragen verbieten, gleichzeitig
aber Nonnen, im Volksmund auch „Pinguine“ genannt, gestatten, in Ihren
schwarzen Kostümen durch die Klassenzimmer zu wandern. Nun gehen Sie
noch einen Schritt weiter und gehen auf die Muslime in den Moscheen
los, indem Sie ihnen Deutsch als Pflichtsprache auferlegen wollen. Darf
ich Sie als Katholikin fragen, was Sie davon halten würden, wenn man
per Gesetz das Lateinische, wo es in Liedform noch vorhanden ist, aus
der katholischen Kirche verdrängen würde? Immerhin verstehen in
Deutschland garantiert mehr Menschen Arabisch als Latein. Haben Sie
Sich je dafür stark gemacht, dass deutsche Christen im Ausland in ihren
isolierten Religionsgemeinschaften die Predigt auf Deutsch hören
sollen? Warum plädieren Sie nicht dafür, dass deutsche Rentner in der
Türkei, die dort ihren Lebensabend verbringen und Religionsfreiheit
genießen, indem sie christliche Kirchen bauen dürfen, ihre
Gottesdienste auf Türkisch abhalten, sich sozusagen der „türkischen
Leitkultur“ unterordnen? Käme Ihnen nicht in den Sinn? Wenn das
türkische Politiker täten, wären Sie vermutlich empört.

Abgesehen von solchen Einwänden entsetzt mich eines aber am meisten:
Der unverhohlene Rassismus, mit dem Ihre Partei, die CDU, Minderheiten
gängelt. Innerhalb dieser Partei gelten Sie persönlich noch als
„liberal“. Wenn das so ist, dann möchte ich die Hardliner ehrlich
gesagt gar nicht erst kennen lernen. Sie sprechen von Integration. Sie
meinen aber Ausgrenzung. Sie aber grenzen aus, wenn einerseits die Zahl
der Steuerprüfer in Baden-Württemberg reduziert wird, mit der
Begründung, dass man „Bürgern nicht prinzipiell mit Misstrauen begegnen
dürfe“, Sie andererseits aber den Muslimen mit eben diesem Misstrauen
begegnen. Sie trennen also scharf zwischen Bürgern und Bürgern, also
grenzen Sie aus. Frau Schavan, ob politisch oder religiös: Ihnen sind
Andersdenkende ein unerträglicher Dorn im Auge. Sie erteilen
Berufsverbote, Sie bekämpfen Muslime, Sie verbreiten ein Klima von
Misstrauen und Hass. Während Ihre Partei jüngst den NS-Täter Filbinger
im Ludwigsburger Schloss ehrte, machten Sie andersgläubigen- und
denkenden Mitbürgern klar, dass diese unter Generalverdacht stehen. Das
ist dieselbe Art von Spaltung, die der US-Präsident George W. Bush in
seinem Land betreibt. Man könnte meinen, Sie seien bei Ihm in die Lehre
gegangen.

Sicher kommen Sie mit diesem grandiosen Unfug nicht durch. Das wissen
Sie auch. Aber gewisse Mitglieder Ihrer Partei wussten auch ganz genau,
dass deren rassistische Unterschriftenkampagne gegen die doppelte
Staatsbürgerschaft 1999 juristisch wertlos war. Ebenso wussten das
dieselben Protagonisten, als es darum ging, eventuell Unterschriften
gegen einen möglichen EU-Beitritt der Türkei zu sammeln.  Und Sie
gehen jetzt mit solchen Kampagnen bei deutschen Stammtischrassisten und
Bierzeltnazis ja auch nur auf Stimmenfang. Frau Schavan, ich bitte Sie:
Verzichten Sie darauf, mit solch widerlichen Vorschlägen Ihre
persönliche Akzeptanz in der CDU zu steigern, nur um die erhoffte
Position als Ministerpräsidentin zu erlangen. Denn darauf zielt Ihr
Vorschlag ab; das sieht ein Blinder mit Krückstock.

32,7 % der Sozialhilfeempfänger in Baden-Württemberg sind unter 16
Jahre alt, bundesweit leben 1,08 Millionen Jugendliche unter 18 Jahren
von der Sozialhilfe. Es gibt für die Politik also einiges zu tun.
Betrachtet man aber Ihre Politik, dann hat sie wesentlich mehr mit
rechtspopulistischer Polemik zu tun.

 Nicholas Williams, Studierendensprecher
der GEW an der Universität Heidelberg