Yassir Arafat ist tot. Mit dem ehemaligen Guerillakämpfer,
Palästinenserpräsidenten und Friedensnobelpreisträger starb eine der großen
Persönlichkeiten der internationalen Freiheits- und Friedensbewegungen. Seine
Freunde und Mitkämpfer nannten ihn Abu Ammar. „Der Mann mit den Haaren im
Gesicht“ nannte der israelische Ministerpräsident Menachem Begin
(1913-1992) den Präsidenten der Palästinenser verächtlich. Auch wenn die Ursache
seines Nichtrasierens eine dauerhafte Hautentzündung gewesen ist, wurde sein
Bart zum Symbol des Widerstandes. Genauso wie sein – „Kefiya“
genanntes – schwarzweiß gemustertes Palästinensertuch, das seinen Kopf ständig
bedeckte, und die Uniform, die eigentlich seine ganze Garderobe darstellte.
Arafat aber antwortete darauf, er habe sich ausgerechnet, dass ein Mann im
Durchschnitt fünf Monate seines Lebens damit verschwende, vor dem Spiegel zu
stehen und sich zu rasieren, er aber bräuchte seine Zeit für das palästinensische
Volk. Yassir Arafats Antworten auf persönliche Fragen waren immer kollektive,
palästinensische, nationale Antworten, wie Danny Rubinstein dies in ihrem 1996
erschienen Buch „Arafat. Vom Guerillakämpfer zum Staatsmann“
beschreibt.
Arafats Kampf für die Befreiung Palästinas begann schon in
den frühen 50er Jahren in Ägypten, als Anführer der Studenten in Kairo. Er war
die erste und bis zuletzt auch einzige „nationale Persönlichkeit“ der
palästinensischen Nation. Er blieb bis zu seinem 61. Lebensjahr ledig und sagte
bis dahin, er sei mit einer wunderschönen Frau namens Palästina verheiratet und
brauche keine zweite Frau. Zu Recht war er der „Rais“, der Führer,
das Symbol, ja der „Vater der Nation“ – eben der Abu Ammar.
Yassir Arafat wurde 1929 als Sohn eines Textilkaufmanns in
Jerusalem geboren. Er beteiligte sich schon als Jugendlicher an Aktionen gegen
die britische Mandatsmacht und militante zionistische Gruppen. Seine Biographie
ist die Geschichte des palästinensischen Widerstandes. Und sie wird mit seinem
Tode nicht zu Ende gehen. Sein bleibendes Verdienst ist es, das palästinensische
Volk auf das Niveau einer selbständigen stolzen Nation in der Weltpolitik
gehoben zu haben.
Yassir Arafat ist die Symbolfigur des seit Jahrzehnten
andauernden Freiheitskampfs der Palästinenser gegen die militärische Besetzung
ihres Heimatlands, die systematische Vertreibungspolitik und den Staatsterror
Israels. 1956 gehörte er zu den Gründern der Guerilla-Organisation Fatah.
Jahrzehnte verbrachte er im Exil, wo er 1969 auch zum Chef des Dachverbands der
Palästinensischen Befreiungsorganisation PLO gewählt wurde. War das erklärte
Ziel der PLO zunächst die Ablösung des Staats Israel durch einen gemeinsamen
Staat von Arabern und Juden, kam es seit den 1970er Jahren unter Führung
Arafats zu einem grundlegenden Wandel – hin zur Anerkennung Israels verbunden mit
der Forderung nach einem palästinensischen Separatstaat.
Unter führendem Einfluss der EU wurde nach mehrjährigen
Verhandlungen 1993 das Osloer Abkommen mit Israel geschlossen. Es sah die
Errichtung einer palästinensischen Autonomiebehörde als ersten Schritt zu einem
unabhängigen palästinensischen Staat vor. 1996 wurde Arafat zum Präsidenten der
Autonomiebehörde gewählt. Damit einher ging aber auch die Entwicklung von
Arafat zu einem bürgerlichen Politiker, dem zuletzt immer wieder – gerade auch
von den eigenen Landsleuten – Korruption und Streben nach Privilegien
vorgeworfen wurde. Dennoch war Arafat nicht bereit, sich bedingungslos der
reaktionären israelischen Politik zu unterwerfen, die Ende der ’90er Jahre mit
Rückendeckung der USA schrittweise die in Oslo gemachten Zugeständnisse
rückgängig machte.
Alle Hoffnungen der herrschenden Großmächte, nach Arafats
Tod die Intifada ersticken zu können, werden am unbezwingbaren Freiheitswillen
des palästinensischen Volks zerplatzen. Ob mit oder ohne Arafat, das
palästinensische Volk wird nicht aufgeben. Der Kampf für einen selbständigen,
unabhängigen palästinensischen Staat geht weiter. Wie viel Blut dabei noch
fließt liegt allein in den Händen der Herrschenden in Israel und den USA.
(KB)