Noch am 25. September demonstrierten 5.000 Kollegen der
Howaldtwerke Deutsche Werft AG (HDW) mit ihren Familien, Kollegen und
Kolleginnen aus anderen Kieler Betrieben unter großer Anteilnahme der
Bevölkerung für den Erhalt der Kieler Universalwerft. Der Protest richtete sich
gegen die Pläne, dass im Zuge der Fusion mit anderen Werften der zivile Bereich
liquidiert wird und nur noch der U-Boot-Bau übrig bleibt. Die IG Metall
mobilisierte und es kamen nicht nur die Betroffenen, sondern auch als Redner
der CDU Spitzenkandidat Peter Harry Carstensen und die Landesmutter Heide
Simonis (SPD), die mit den üblichen Phrasen ihre Scheinsolidarität bekundeten.
Aufschlussreicher war da schon die Rede des HDW-Betriebsratsvorsitzenden Ernst
Kiel, die wir nachfolgend in Auszügen wiedergeben:
(…)Wir alle sind hier zusammen gekommen, um deutlich zu machen, dass wir zu
unserer Werft stehen und die Arbeits- und Ausbildungsplätze erhalten wollen.
Die HDW, dieses große, traditionsreiche Unternehmen, muss auch weiterhin auf
mindestens zwei sicheren Standbeinen stehen. Wir können und wollen mehr als
U-Boote bauen (Schiffe zum anfassen). (…) Als in den 70er und 80er Jahren,
bedingt durch die neue Konkurrenz aus Asien, das große Werftsterben in
Deutschland und Europa vonstatten ging, lag auch die HDW danieder. Damals waren
es der Bund und das Land, die dieses Unternehmen aufgefangen haben. Nach dem
zum Teil abenteuerlichen Umweg über die Salzgitter, Preussag, Babcock und OEP
sind wir heute erneut zum Spielball strategischer Überlegungen geworden. Damit
unser Anteilseigner, also der heutige Besitzer der HDW, die OEP, uns nicht ins
Ausland verhökert, hat sich die ThyssenKrupp erbarmt, eine Fusion mit uns im
Werftbereich einzugehen. Es hat lange gedauert, bis die ThyssenKrupp diesen Weg
eingeschlagen hat und es sieht so aus, als wenn dieser Weg nicht so ganz
freiwillig eingeschlagen wurde. Die Politik stand hier wohl Pate. Aber es gibt
auch ein eigenes wirtschaftliches Interesse von der ThyssenKrupp-Seite. Denn sollte
die HDW an einen anderen, z. B. einen ausländischen Konzern verkauft werden,
gibt es bei den ThyssenKrupp-Werften Blohm + Voss und Nordseewerke Emden
erhebliche Probleme. Also ganz so uneigennützig wie die ThyssenKrupp-Seite es
immer gern darstellt, ist es nicht. Aus unserer Sicht macht eine Fusion sogar
Sinn: Nachdem uns die Preussag mit der Wegnahme der 10.000 werkseigenen
Wohnungen das „Tafelsilber“ genommen und die Babcock die HDW-Kasse geplündert
hat, haben wir ein Problem: Uns fehlen die Rücklagen, um große Geschäfte
abzusichern. Ein Zusammengehen könnte dieses Problem heilen.
Deshalb haben wir gesagt, und sagen es noch immer: „Eine Fusion macht Sinn“.
Aber entscheidend ist doch auch, zu welchen Bedingungen diese Fusion
durchgezogen wird. Das, was vor 6 Wochen erstmals als Konzept vorgestellt
wurde, in Kiel nur noch U-Boote zu bauen, ist nicht hinnehmbar! Der Betriebsrat
hat dieses Konzept missbilligt. Es waren im Wesentlichen zwei Gründe, weshalb
wir gegen solches Konzept sind:
1. Die Reduzierung auf ein einziges Produkt ist unserer Meinung nach
fahrlässig.
2. Die Vernichtung von Hunderten von Arbeitsplätzen am Standort Kiel, die die
Umsetzung eines solchen Konzeptes mit sich bringen würde, ist
verantwortungslos, inhuman, unsozial und für die Betroffenen sowie für die
Region katastrophal!
(…)
Wir haben ein eigenes, offensives, zukunftssicherndes Werftkonzept vorgelegt.
Ziel unseres Konzeptes ist, die Standorte zu sichern und die vorhandenen
Arbeitsplätze weitmöglichst zu erhalten und dadurch einen schlagkräftigen und
wettbewerbsfähigen Werftenverbund zu schaffen. Das bisherige ? von der
Arbeitgeberseite ? favorisierte Zielkonzept: „Zweimal Überwasser, einmal
Unterwasser“ mit der Konzentration auf den Marineschiffbau und die
ausschließliche U-Bootfertigung in Kiel wurde in drei wesentlichen Punkten
daraufhin revidiert:
1. An allen drei Standorten (Kiel, Hamburg, Emden) wird künftig ein
strategisches Marineprodukt konstruiert und gefertigt.
2. Jeder Standort soll ein zweites Standbein im zivilen Schiffbau erhalten.
3. Die heutige Produktpalette für Containerschiffe soll in Konstruktion und
Fertigung weiterentwickelt werden. Damit verbunden ist aktuell eine deutlich
erhöhte Ausweitung des Containerschiffbaus im Verbund.
(…)
Dass die Arbeitgeber uns ein ganzes Stück entgegengekommen sind, dazu hat
vieles bzw. haben viele beigetragen. Der Protest der Belegschaft, die
großartige Unterstützung der IG Metall, die Zusammenarbeit mit der
Landesregierung ? wir stehen seit Monaten mit der Ministerpräsidentin und dem
Wirtschaftsminister in Kontakt -, die Unterstützung durch die Stadt Kiel, durch
die Politik insgesamt, und die breite Unterstützung aus der Bevölkerung haben
diese positive Wende herbeigeführt und dafür bedanke ich mich persönlich, aber
auch im Namen des HDW-Betriebsrates, der Jugend- und Auszubildendenvertretung,
der IG Metall-Vertrauensleute und aller Beschäftigten recht herzlich!“
Die „großartige Unterstützung“ der IG Metall sollte schon ein paar Tage später
auf die Probe gestellt werden. Am Abend als die Kollegen ihre Transparente
einrollten waren sich die neuen HDW-Bosse schon längst einig. 13 Tage später
ließen Sie die Katze aus dem Sack: Die Howaldtswerke-Deutsche Werft AG,
Deutschlands größter Schiffsbaubetrieb, wird in die neue ThyssenKrupp Marine
Systems AG mit Werften in Rendsburg, Hamburg und Emden sowie in Schweden und
Griechenland eingegliedert. HDW muß sich auf den U-Bootbau konzentrieren der
Überwasserschiffbau soll auch nicht zu kurz kommen. Nur, 445 Kollegen müssen
gehen! Das ist rund jeder siebente Beschäftigte der Kieler Werft. 445 Kollegen
und 445 Familien wird mit einem Handstreich die Lebensgrundlage entzogen.
Zynischer Kommentar von Kiels IG Metallchef Mädel in einer Regionalsendung am
gleichen Abend: Die Entlassungen lassen sich nicht vermeiden – das ist der
Preis für den Erhalt der Werft. An Kampfmaßnahmen zum Erhalt dieser
Arbeitsplätze wird von dieser Seite aus nicht gedacht. Auch die Landespolitiker
preisen diese fatale Entwicklung als Erfolg oder hüllen sich in Schweigen. Meldung
vom 08.10.04:
HDW von ThyssenKrupp übernommen, Fusion
mit Blohm & Voss und der Emdener Nordseewerke. Jeder 7. HDWler (insgesamt
440 Kollegen) wird in Kiel auf die Strasse gesetzt. IGM: „Wir haben das
Beste rausgeholt, die Entlassungen sind der Preis für die Rettung der
Werft“. An Kampfmaßnahmen wird nicht gedacht.