Wohin will die deutsche Reaktion das Bildungswesen noch treiben?

Was in und um das schulsystem der bundesrepublik geschieht, spottet
jeder beschreibung. Dass der „Pisa-schock“ zu einem umdenken in der
schulpolitik geführt hätte –  weit gefehlt!

Die reaktionärsten Kräfte, voran die der Union, versuchen in offenster
form, das durch mittlerweile mehrere internationale studien
desavouierte deutsche bildungssystem zu zementieren.
Die Zustände stinken zum himmel! Wer es nicht in vier grundschuljahren,
bei klassengrößen von bis zu 30 Kindern, ohne gezielte sprachförderung
(immigrantenkinder!!) zu einer gymnasiums-empfehlung der lehrkräfte
bringt, landet mit großer wahrscheinlichkeit in haupt- oder realschule,
womit die biografie für die meisten vorgezeichnet ist: Arm bekommt arme
bildung und zukunft, reich hat deutlich reichere und bessere chancen.

Dieses Schulsystem ist ein reaktionäres Ärgernis, das beseitigt gehört.
Es war stets das bestreben der  –  viel zu seltenen, viel zu
schwachen und inkonsequenten  –  schulreformer in der
bundesrepublik, diese frühzeitige aufspaltung aufzuheben und zu
beseitigen, stets gegen den heftigsten widerstand der deutschen
reaktion! Stichworte dieser unseligen auseinandersetzungen: integrative
und kooperative gesamtschule, orientierungsstufen, 6jährige
grundschule.
Und jetzt!

  • Die neugewählte CDU-Landesregierung in Niedersachsen schafft die
    Orientierungsstufe ab, die es in dieser Form nur dort gab: gemeinsamer
    Unterricht in den Klassen 5 und 6 zur erzielung einer besser fundierten
    prognose für den späteren schultyp. Eine krücke, ein elend
    inkonseqentes gebilde, aber wenigstens ein schritt in die richtige
    richtung. Aber dank CDU-Mininsterpräsident Wulf heißt es jetzt: Zurück
    zur trennung nach klasse 4!
  • Bei den koalitionsverhandlungen in Brandenburg verlangt die CDU
    des generals Schönbohm von der SPD die abschaffung der dort
    existierenden 6jährigen grundschule und rückkehr zur trennung nach der
    4. klasse. Eine ungeheuerlichkeit! Zurück in  den deutschen
    bildungssumpf! Wenn das durchgeht, wird der Angriff auch in den Ländern
    erfolgen, die noch eine 6jährtige Grundschule haben, u. a. Berlin. Der
    angriff auf die gesamtschulen dort, wo sie existieren, ist dann nur
    eine frage der zeit!
  • Und jetzt kündigt der selbe herr Wulf an, den staatsvertrag über
    die kultusministerkonferenz (KMK) zu kündigen, das einzige gremium, in
    dem wenigstens notdürftig die bildungspolitik der bundesrepublik
    koordiniert wird. Er begründet das mit der rechthaberischen bürokratie,
    die angeblich an der KMK hänge, für die er jährlich keine 2,5 mio euro
    zahlen wolle. In wirklichkeit will er, dass in jedem bundesland, wo
    seinesgleichen zu sagen hat, die uhr zurückgedreht werden kann,
    ungestört von bundeseinheitlichen richtlinien. Wulf wollte bekanntlich
    in diesem sommer auch die rechtschreibreform zurückdrehen!

Angesichts der Pisa-studie lautet die reaktionäre devise: noch weiter
zurück, noch mehr diskriminierung! Verhöhnung aller derer, die noch
einen rest emanzipatorischer ansprüche an das schulsystem haben!

In der Bildungspolitik geht es um elementarste klassenfragen: Erhalten
(in deutschland muss man bald sagen: ertrotzen sich )die arbeitenden
menschen, die arbeitslosen, die immigranten und die sozial schwachen
eine bildung für die jugend, die diese befähigt, den alltäglichen
lebenskampf zu meistern? Und geschieht dies so, dass wenigstens im
Ansatz gleiche standards für alle Kinder gelten? Das ist eine
klassenfrage zwischen den beherrschten, ausgebeutetetn klassen und
schichten einerseits und der der herrschenden monopolkapitalistischen
klasse.

Niemand kann ernsthaft bestreiten, dass in der hauptschule sich kinder
von immigranten, arbeitslosen, sozial schwachen und benachteiligten
sammeln und dass die bildungsergebnisse dieses schultyps, von
rühmlichen ausnahmen abgesehen, desolat bis katastrophal sind. In der
hauptschule ist mensch in aller regel abgeschoben, wenn er nicht glück
hat und an eine schule mit hoch- bis höchstengagierten lehrkräften
kommt, die die strukturellen defizite dieses schultyps ein wenig
ausgleichen.

Aber nicht nur das, Pisa enthüllte, dass auch die beiden „höheren“
schultypen erstens unter dieser trennung leiden und zweitens oft
international unterdurchschnittliche ergebnisse erzielen.
Aber die herrschenden Cliquen in unserem land versuchen unablässig, das
rückständige schulsystem zu bewahren, das die reichen, privilegierten,
inländischen schichten bevorzugt. (wer`s nicht glaubt: Pisa-studie
lesen.)
Und das wider besseres wissen: Denn kein einziges land, das in der
Pisa-studie in seinen ergebnissen vor uns lag, hat ein derart früh
differenzierendes system! Alle haben sie mehr oder weniger konsequente
einheitsschulsysteme, in denen die kinder relativ lange zusammen
unterrichtet werden. Es gibt jede menge hinweise, dass das gemeinsame
lernen der kinder bis zur 9. oder 10. klassenstufe, der verzicht auf zu
frühe benotung der schulleistungen gerade zu einem hohen
durchschnittlichen leistungstand auch der kinder sozial schwächerer
herkunft beitragen kann: Hier kann gegenseitige anregung der
schüler/innen wirken, die in Deutschland ab Klasse 5 entfällt.

Die Pisa-sieger aber sind bürgerlich-kapitalistische länder wie
deutschland auch. Also sind die bildungspolitischen grundsätze unseres
landes selbst im vergleich mit den kapitalistischen konkurrenten
rückständig! Selbst im sinne der ganzen bürgerlichen wissenschaft! Auch
in Finnland oder Schweden, Australien oder Neuseeland, die alle nach
Pisa deutlich besser dastehen, wird kapitalistisch kalkuliert und alles
geld dreimal umgedreht, ehe es für schulzwecke bewilligt wird.
Es ist so gesehen ein historischer skandal,  dass das strukturell
überlegene einheitsschulsystem der DDR nicht übernommen und entwickelt,
sondern zerschlagen wurde, unter dem billigen vorwand, dieses sei
SED-verseucht.
Außerdem:

Die lehrerausbildung in deutschland ist grottenschlecht, so dass die
jüngst veröffentlichte international vergleichende OECD-studie von
kompetenzmängeln an deutschen schulen spricht. Der Frage der
unterrichtsqualität kann sich in deutschland wirklich niemand
verschließen.
Und noch ein schulskandal im reichsten land der welt: Schon lange ist
die lehrmittelfreiheit, eine alte und wichtige errungenschaft der
arbeiterbewegung, wieder weitgehend zerschlagen.

Dass die herrschenden nun landauf landab mit der ganztagsschule
hausieren gehen, ist im kern ein ablenkungsmanöver. Ganztagsschulen
sind gut, wenn das, was in ihnen geschieht, gut ist. Ich bin nicht
gegen sie, aber sie beseitigen nicht die klassen- und
schichtenspezifische diskriminierung, wenn wir morgen
ganztagshauptschulen, ganztagsrealschulen und ganztagsgymnasien haben.

Ich befürworte, dass die demokratische, revolutionäre und
kommunistische  arbeiter/innenbewegung den zumutungen und
skandalen der deutschen bildungspolitik unter anderem mit folgenden
forderungen entgegentritt:

  • Abschaffung des dreigliedrigen schulsystems und einführung der
    mindestens 10jährigen einheitsschule, bevor für zwei oder drei jahre in
    weiterführende schulen bzw. in die berufsbildung differenziert wird.
  • Einbeziehung von elementen der produktion und der modernen techniken in die schulausbildung!
  • Wiedererichtung der lehr- und lernmittelfreiheit“!
  • Abschaffung bzw. starke einschränkung der bildungshoheit der
    länder, bildungshoheit, zu mindest aber starke rahmenkompetenz, beim
    bund, um einheitliche bildungsstandards sicher zu stellen.

ft.