Hühner werden in Säcke gesteckt und in Gruben geworfen oder einfach
zertreten. Wer diese Bilder gesehen hat, wird sie so schnell nicht
vergessen können. So sieht die Vernichtung von, bisher über 80
Millionen Sück, infiziertem Geflügel in der asiatischen Region aus.
Infiziert mit der Vogelgrippe, einem lebensgefährlichem Virus, dem
nicht nur ungezählte Vögel zum Opfer fielen, sondern auch Katzen,
Leoparden und weit über 20 Menschen.
Wieder einmal breitet sich eine Seuche rasend schnell aus. Wie es dazu
kommen konnte zeigt wohl folgendes Beispiel aus Japan, welches am 29.2.
bekannt wurde. Kein geringerer, als der stellvertretende Vorsitzende
des Verbandes der Geflügelzüchter, verlor auf seiner Farm 67.000 seiner
200.000 Hühner durch den Erreger. Anstatt die Behörden zu alarmieren,
verkaufte er aber weiter Hühner und Eier aus seinem verseuchtem
Bestand. In anderen Teilen Asiens sieht es oft nicht anders aus. So
werden Geflügelbestände aus infizierten Gegenden in andere Regionen
transportiert, um den wirtschaftlichen Schaden zu begrenzen. Staatliche
Entschädigungen sind vollkommen unzureichend und so geht es bei den
Geflügelzüchtern oft um die wirtschaftliche Existenz. Doch nur durch
die Tötung der infizierten Tiere ist eine Eindämmung und erfolgreiche
Bekämpfung der Seuche möglich. Wie schwer das ist zeigt schon der Blick
auf die thailändische Hauptstadt Bangkok, denn allein hier vegetieren
geschätzte 1,5 Mio. Hühner in Hinterhöfen oder in Etagenwohnungen.
Massentierhaltung unter katastrophalen Bedingungen ebnen dem Erreger
den Weg, aber auch die internationale Produktion sorgt für eine
weltweite Verbreitung. Kaum bekannt ist, daß gerade Thailand, nach
Brasilien, der gößte Exporteur von Geflügelfleisch in die EU ist. Pro
Jahr weit über 120.000 Tonnen. Thailand exportiert jährlich
Geflügelprodukte im Wert von einer Milliarden Euro und so wird klar
warum Regierungen leugnen, schweigen und verharmlosen. In der
asiatischen Region sind Millionen Arbeisplätze bedroht.
Bedroht ist auch der Mensch an sich, denn einmal mit dem Erreger
infiziert, liegt die Sterblichkeitsrate bei Ausbruch der Vogelgrippe
zwischen 70 bis 80 Prozent. Die ersten Symtome, wie Fieber und Husten,
treten etwa drei Tage nach der Infektion auf. Die bisher infizierten
Menschen waren entweder Bauern oder andere Personen, die in engem
Kontakt zu infiziertem Geflügel standen. Gekochtes Fleisch scheint
unbedenklich und eine Übertragung des Virus von Mensch zu Mensch noch
nicht möglich.
Noch, denn hier lauert die nächste große Gefahr. Eine Grippe ist nie
harmlos. Allein im letzten Jahr starben in Deutschland an einer Grippe
über 16.000 Menschen. Die schlimmste Influenza erlebte die Menschheit
im Jahre 1918. Sie ging als „Spanische Grippe“ unrühmlich in die
Geschichte ein und forderte geschätzte 40 Millionen Menschenleben. Und
eben dieser Killervirus ist aus einer Vogelgrippe hervorgegangen. Bei
solch einem Ausmaß spricht man von einer Pandemie und die könnte wieder
drohen.
Die jetzt um sich greifende Vogelgrippe ist vom gefährlichen Virustyp
A. Der Erreger heißt „H5N1“. Der Name erklärt sich leicht, wenn man
sich den Virus als stacheliges Kügelchen vorstellt. Vier Fünftel seiner
ca. 500 „Stacheln“ (Spikes) bestehen aus Hämagglutinin (H) und der Rest
aus Neuramimidase (N). Das „H“ ermöglicht ein Andocken an eine Zelle
und das „N“ wird zum Ausschleusen der neuen Viren aus der Zelle
benötigt. Die bei uns zur Zeit vorkommende Wintergrippe heißt dagegen
„H3N2“. Ein Pandemie-Grippevirus könnte in einer Verbindung dieser
beiden Virustypen entstehen. Meist geschieht dies in einem andern Wirt,
etwa einem Schwein. Sollte also auf einem Hof, wo Menschen und Tiere
sehr eng zusammen leben, ein Schwein den normalen menschlichen
Grippevirus aufnehmen und gleichzeitig den Vogelgrippevirus vom Huhn,
könnte der dann von Mensch zu Mensch übertragbare extrem gefährliche
Pandemie-Grippevirus entstehen. Der Vollständigkeit wegen sei erwähnt,
daß der Pandemieerreger auch ebenfalls durch genetische Neukombination
im Menschen selbst stattfinden könnte, also ein am normalen Grippevirus
erkrankter Mensch infiziert sich auch noch mit der Vogelgrippe. Je
weiter sich die Vogelgrippe ausbreitet, desto größer wird dieses
Risiko. Auf diese und ähnliche Weise entstanden schon 1957/58 die
„Asiatische Grippe“ und 1968 die „Hongkong-Grippe“. Auch hier starben
Millionen Menschen.
Sollte es zu einem neuen Pandemie-Grippevirus kommen stellt sich die
Frage, ob es wieder zu Millionen Toten kommen muß oder ob es einen
wirksamen Schutz gibt. Bekanntlich kann man sich jedes Jahr gegen die
Grippe impfen lassen. Hier wird ein funktionsloser Erreger verabreicht,
der das Imunsystem anreizt, Antikörper zu bilden, die dann bei einer
echten Infektion sozusagen schon „Gewehr bei Fuß“ stehen. Da sich die
Erreger ständig verändern, muß der Impfstoff dementsprechend darauf
eingestellt werden und so jedes Jahr neu konzipiert werden. Noch kennt
man den möglichen Pandemie-Grippevirus nicht, doch man ist in der Lage
schon jetzt Impfstoffe vorzubereiten, die ungefähr in einem halbem Jahr
verfügbar sind. So könnten rechtzeitig zum Winter, und der damit
verbundenen Grippesaison, die Menschen in den betroffenen Regionen
versorgt werden. Könnten, wenn nicht die Pharmakonzerne, wie Glaxo
SmithKline oder Solvay durch Lieferabkommen daran gebunden wären,
zunächst die „reichen“ Länder zu beliefern, was nichts anderes heißt,
als nur an die eigene Bilanz zu denken. Auch haben die Pharmakonzerne
kein Interesse an einer teuren Bevorratung benötigter Medikamente. Nach
Schätzungen des Robert Koch Instituts würden 20 Tonnen
Grippemedikamente benötigt. Es ist zu fordern, daß grössere
Vorratslager auf Staatskosten angelegt werden. Für die armen
Länder Asiens sollte der Grippe-Impfstoff in ausreichender Menge
kostenlos geliefert werden. (J.T.)