Studiengebühren in Hessen und NRW – teure Bildung

Auch in Nordrhein-Westfalen und Hessen wurden jetzt zum Sommersemester
Studiengebühren für sogenannte Langzeitstudenten eingeführt. In NRW
sind angeblich 1/3 aller Studenten als Langzeitstudenten davon
betroffen.

Langzeitstudent ist jemand, der die Regelstudienzeit um mehrere
Semester überschreitet. In NRW werden jetzt von diesen Studenten pro
Semester 650 Euro kassiert. Das Geld dient aber nicht etwa der
Verbesserung des Studiums, sondern die Landesregierung behält es für
sich.
In Hessen sind die neuen Gebühren für Langzeitstudenten, je nach
Semesterzahl gestaffelt. Es werden bis zu 900 Euro pro Semester fällig.

Wie ein Student unter diesen Bedingungen kurz vor seinem Examen
gleichzeitig lernen und das Geld auftreiben soll, ist ein Widerspruch
in sich. Schokierend für viele ist nicht nur die unverschämte Höhe der
Gebühren, sondern auch die Diskriminierung der „Langzeitstudenten“.
Diese werden als Parasiten dargestellt, nach dem Motto: „hätten die
Faulpelze mal schön zügig studiert“. So wird auch Neid auf ein
angebliches laues Studentenleben unter der Arbeiterklasse geschürt, so
als lägen die Studenten denen, die schon mit 16 Jahren arbeiten mußten,
auf der Tasche.

Überhaupt, wo sollen die Studenten das Geld hernehmen, wenn die Eltern
es nicht für sie bezahlen können? Denn die Hauptursache für ein
Überschreiten der Regelstudienzeit ist eben nicht Müßiggang, sondern
die Notwendigkeit, während des Studiums zu arbeiten. Wenn dann noch
familiäre Verantwortungen auf einen zukommen, wird es immer
schwieriger, sein Studium überhaupt erfolgreich zu beenden, geschweige
denn die Studiengebühren zu bezahlen. Wenn man dazu Bafög bezogen hat,
steht man mit einem Berg Schulden und abgebrochenem Studium da. Das
wird vor allem Kinder aus Arbeiterfamilien treffen.

Leider fängt die Ungleichheit in unserem Bildungssystem bereits im
Kindergarten an. Schon der Kindergartenbesuch kostet Geld. Kinder aus
einkommensschwachen Familien und Migrantenfamilien haben schon bei der
Einschulung einen schlechteren Start. Das Fehlen einer vorschulischen
Förderung  wirkt sich fatal aus. In den skandinavischen Ländern,
wo die Kinder zwischen drei und sechs Jahren gleichmäßig gefördert
werden, sind diese Unterschiede nicht so groß. In Ganztagsschulen
könnte das Potenzial von Kindern, deren Eltern nicht in der Lage sind,
sie zu fördern, entwickelt werden. Die kapitalistische Gesellschaft
erlaubt sich in ungeheurem Ausmaß, Ressourcen zu vergeuden. Jeder, der
das Bedürfnis nach Bildung und /oder Höherqualifizierung im erlernten
Beruf hat, sollte die Möglichkeit erhalten, sich zu bilden und
weiterzubilden.

Natürlich kostet Bildung Geld. Aber die Menschen erwirtschaften auch
dieses Geld! Also muß man den arbeitenden Menschen und ihren Kindern
besseren Zugang zu den Hochschulen ermöglichen und nicht Hürden
schaffen.
Was aus solchen Verschärfungen der Lebensbedingungen im schlimmsten
Fall werden kann, zeigt die Geschichte eines Studenten in England, wo
traditionell Studiengebühren erhoben werden. Da sein Geld gegen Ende
seines Studiums nicht mehr ausreichte, war er gezwungen, Sozialhilfe zu
beantragen, und wurde über eine Arbeitsvermittlungsorganisation auf
eine Baustelle vermittelt, wo er in größerer Höhe zu arbeiten hatte.
Aufgrund fehlender Einweisung und Mißachtung von
Sicherheitsvorschriften durch die Firma verunglückte er tödlich.