Was verbirgt sich hinter dem klangvollem Namen Agenda zwanzig-zehn? Ein modernes
Programm der rot-grünen Bundesregierung mit dem Ziel die Arbeitslosigkeit
zu bekämpfen? So soll es uns verkauft werden, aber in Wirklichkeit verbergen
sich dahinter sämtliche Hiobsbotschaften, mit denen die Menschen in diesem
Land seit Monaten torpediert werden, die Schlagworte reichen von Hartz, Rürup
bis Herzog. Das bedeutet Kürzungen und Zuzahlungen für uns. Die Agenda
2010 ist eine offene Kriegserklärung an die Werktätigen. Mit allen
Stimmen der Sozialdemokraten wurden jetzt die "Hartzgesetze", genauer
Hartz III und Hartz IV, im Bundestag abgesegnet. Sogenannte "linke Abweichler"
haben sich ein wenig geziert solchen Dingen wie der geplanten gegenseitigen
Unterhaltspflicht von Eltern und Kindern im Falle der Arbeitslosigkeit zuzustimmen.
Dieser Teil wurde zunächst herausgenommen, um von der Union im Bundesrat
wieder aufgenommen werden zu können.
Keine Gewissensbiße hatten die "Genossen" aber bei der Zustimmung
zur Abschaffung der Arbeitslosenhilfe. So werden über eine Millionen Arbeitslose,
sogenannte Langzeitarbeitslose, auf Sozialhilfeniveau gekürzt, was sich
dann Arbeitslosengeld II nennen soll. Dabei handelt es sich um pauschalierte
Beträge von 345 Euro monatlich in Westdeutschland. Im Osten soll ein Mensch
gar mit 331 Euro im Monat auskommen, wobei der maximale Mietzuschuß bei
einem Alleinstehenden gerade 260 Euro beträgt. Damit liegt man auf dem
Lohnniveau der Minijobs, also jener Tätigkeiten, die eigentlich für
Studenten oder Hausfrauen gedacht waren, die einen sozialversicherungsfreien
Zuverdienst ermöglichen. Bezieher von Arbeitslosengeld II sollen dann nicht
nur jede Arbeit annehmen müssen, sondern eben auch gerade diese Minijobs.
So wird sich mancher Facharbeiter oder Akademiker nach dem 12 monatigem Bezug
von Arbeitslosengeld, sofern er unter 55 Jahren ist, vielleicht im nächsten
Supermarkt zur Wareneinsortierung oder als Platzeinweiser im Kino wiederfinden.
Und das kann sogar in einer anderen Stadt sein. Unzumutbar? Nicht nach dem Willen
der Bundesregierung und der Union. Qualifikation, Bezahlung und Entfernung zum
Wohnort werden als Ablehnungsgrund einer angebotenen Tärigkeit nicht mehr
akzeptiert. Der Sanktionskatalog wurde entsprechend ausgeweitet, so wird das
Arbeitslosengeld II gekürzt, wenn der Betroffene bei der Jobsuche nicht
genügend Eigeninitiative zeigt. Dann droht eine Kürzung von 30% in
den ersten drei Monaten, bei wiederholten Verstößen kann die "Agentur
für Arbeit", wie das Arbeitsamt dann heissen soll, das Arbeitslosengeld
II auch komplett streichen. Jugendlichen unter 25 Jahren droht schon bei einem
einmaligem Verstoß die komplette Streichung! Von Arbeitslosengeld II sind
zunächst 4,3 Millionen Menschen betroffen. Immerhin 200.000 Bezieher der
jetzigen Arbeitslosenhilfe werden kein Arbeitslosengeld II erhalten, da das
Einkommen des Lebenspartner, wie bei der Sozialhilfe, angerechnet wird.
Die 6 Mrd. Euro, die insgesamt bei den Arbeitslosen gekürzt werden, entsprechen
ziemlich genau den 6 Mrd. Euro die Spitzenverdiener nun mehr in den Taschen
haben, aufgrund der Senkung des Spitzensteuersatzes von 48,5% auf 42%. Während
sich die "Arbeitgeber" im Jahr 2004 auch noch auf die Abschaffung
des Arbeitgeberbeitrages für das Krankengeld freuen dürfen, immerhin
3,5 Mrd. Euro, sieht es für die "Arbeitnehmer" nicht so rosig
aus. Auf sie kommen neue Kosten hinzu, eben die private Versicherung des Krankengeldes,
sowie eine Zusatzversicherung für Zahnersatz und diverse Zuzahlungen im
Zuge der Gesundheitsreform.
Mit ihren schweren Angriffen auf die Lebensverhältnisse der Arbeitslosen,
Werktätigen und Renter hat sich die SPD nicht beliebt gemacht. Nach neuesten
Umfragen würde sie heute nur 22% der Stimmen erhalten, ein vernichtendes
Ergebnis. Die Politik der Bundesregierung richtet sich gegen die Werktätigen,
sie ist für das Kapital. Die Agenda 2010 dient nur dazu, dem Kapital höhere
Profite zu verschaffen. Steuersenkungen sind eine Möglichkeit. Während
die Massensteuern auf hohem Niveau weiter steigen, brechen die Unternehmenssteuern
weiter ein. Über 80% des Gesamtsteueraufkommens stammt aus den Taschen
der Werktätigen, der Anteil des Kapitals beträgt nur 3%. Die Reduzierung
der Lohnnebenkosten, also der Sozialversicherungsbeiträge, ist eine weiterer
Hebel, den Profiten auf die Sprünge zu helfen, immerhin bringt jeder Prozentpunkt
geringerer Arbeitgeberbeiträge rund 7,5 Mrd. Euro in die Taschen der Unternehmen.
So macht die Ausgliederung des Krankengeldes oder die Verkürzung der Bezugsdauer
des Arbeitslosengeldes Sinn – im Sinne des Kapitals.
Die Propaganda der Regierung und der Unternehmerverbände verspricht, daß
nur so die Arbeitslosigkeit bekämpft werden kann. Die Unternehmen brauchen
das Geld, "damit in unserer Volkswirtschaft wieder mehr in Beschäftigung
investiert wird" (J.Fischer in FR 07.05.2003). Also mal ehrlich, was wird
wohl ein Unternehmen mit hundert Extramillionen Euro im Jahr machen. Beim Arbeitsamt,
pardon, bei der Agentur für Arbeit anrufen und hundert Arbeiter ordern,
deren Aufgabe dann wohl darin bestünde den ratternden Maschinen bei der
Arbeit zuzuschauen? Der Absatz der Firma, sofern sie keine Luxusgüter produziert,
wäre ja nicht höher, im Gegenteil, aufgrund der Kürzungen bei
der Arbeitslosenunterstützung und andere Belastungen der Werktätigen
ist die Binnennachfrage niedriger und damit der Absatz eher geringer. Das Geld
würde vermutlich bei der Bank landen oder es würde zum Kauf der Konkurenz
dienen. Natürlich investieren die Unternehmen auch, aber dann doch hauptsächlich
in Maschinen oder computergesteuerten Anlagen, also Dingen die zum Ziel haben
mit weniger Arbeitskräften zu produzieren. So haben in zehn Jahren, von
1991 bis 2001, Industrieunternehmen in Deutschland ca. 580 Mrd. Euro investiert.
Die Beschäftigtenzahl in diesem Bereich sank dagegen um 2,5 Millionen.
Aufgrund der technischen Revolution nahm das gesamtwirtschaftliche Arbeitsvolumen
um rund 3 Milliarden Stunden ab. Die Produktivität wächst und wird
weiter wachsen, der Bedarf an Arbeitskräften sinkt. Daher können höhere
Profite nicht zum Abbau der Arbeitslosigkeit führen, dies könnte nur
eine Arbeitszeitverkürzung. Die 30 Stunden Woche ist die richtige Antwort,
doch was interessiert den Kapitalisten das Wohl von Millionen Menschen, wenn
seine Sorge doch nur dem maximalen Profit gilt. So fordert er nicht nur längere
Arbeitszeiten, sondern am liebsten würde er auch viel weniger Lohn zahlen.
Aufgrund der Abschaffung der Arbeitslosenhilfe werden die Millionen Menschen,
die Arbeitslosengeld II beziehen, genötigt zu geringstem Lohn zu arbeiten,
auch Beziehern von Arbeitslosengeld wird zugemutet für einen Lohn in Höhe
der Arbeitslosenunterstützung zu arbeiten. Das wird natürlich Auswirkungen
auf das allgemeine Lohnniveau haben.
Wie weit kann es nach unten mit dem Lohn gehen? Im Prinzip stellt die Sozialhilfe
mit ca. 300 Euro im Monat eine Art Mindestlohn dar. Kaum vorstellbar wie man
sich gesund von 5 Euro am Tag ernähren soll, doch der deutsche Industrie-
und Handelskammertag fordert sogar eine 25% Kürzung, das wären dann
3,75 Euro. Nach der Logik des Kapitals gibt es nach unten keine echte Grenze
für menschliche Grundbedürfnisse und keine Grenze wenn es um die Höhe
ihrer Profite geht. Angiffe auf die Bezieher von Sozialhilfe und Arbeitslosengeld
richten sich eben auch gegen alle Werktätigen. Daher brauchen wir Mindestlöhne
weit oberhalb der Sozialhilfe und keine Billiglöhne. Was ist ein System
eigentlich wert, indem der technische Fortschritt und damit die Produktivität
steigt, aber sich der Lebensstandard der breiten Massen verschlechtert? Das
Kapital und seine Vertreter können nur eine Politik betreiben, die der
Kapitalverwertung entspricht. Wie gezeigt führt Sozialabbau nicht zu neuen
Arbeitsplätzen. Die Agenda 2010 kann also nur durch den Kampf der Werktätigen
und Arbeitslosen selbst verhindert werden. In diesem Sinn rufen wir alle zur
Teilnahme der Großdemonstration gegen die Agenda 2010 in Berlin am 1.11.2003
auf! (J.T.)