Nachdem das UN-Protektorat Kosovo in den bürgerlichen Medien in
den letzten Monaten kaum noch Erwähnung fand, mehren sich jetzt wieder
die Berichte. Vordergründig ging es bei den Berichten um die Ablösung
des UN-Gouverneurs Michael Steiner durch den konservativen finnischen
Politiker Harri Holkeri. Doch neben dem Personalgeplänkel um den
Verwaltungsposten kommen die bürgerlichen Medien nicht um eine aktuelle
Situationseinschätzung herum. Fast einhellig kommen große Tages-
und Wochenzeitungen wie der Spiegel und die SZ darüber überein,
dass die Befriedung noch in weiter Ferne liegt.
Mit der Ablösung des erfolglosen Gouverneurs Michael Steiner Ende
Juni 2003, sind nun weitere eineinhalb Jahre UN-Besat-zungs-po-litik ohne
Fortschritte für die Bevölkerungsgruppen verstrichen. Im Nachrichtenmagazin
Spiegel vom 30.06.03 wird besorgt festgestellt: „Vier Jahre nach
Ende des Nato–Krieges gegen Jugoslawien und dem Einzug internationaler
Friedenstruppen sowie der zivilen Uno–Verwaltung (UNMIK) ist die von
Nationalitätenhass zerrissene Provinz noch weit entfernt von rechtsstaatlichen
Normen.“ Das Ignorieren bzw. das Hinausschieben der nationalen Frage,
mit der Begründung, man sei noch weit entfernt von rechtsstaatlichen
Normen, klingt angesichts der Propaganda, die aus den besetzten Ländern
Afghanistan und Irak zu vernehmen ist, bekannt. Der Imperialismus stellt
sich also selbst als zivilisiert vor, als uneigennütziger selbstloser
Helfer der Völker. So heißt es in der SZ vom 05.06.03 in einem
Artikel zum Kosovo dann auch folgendermaßen: „Mit beschränkten
Selbstverwaltungsbefugnissen sollen die Kosovo-Albaner unter dem UN-Protektorat
erst einmal zivilisierte Standards erreichen, bevor der Sicherheitsrat
über den künftigen Status der Provinz entscheidet.“ Die
sozialen und politischen Probleme des Kosovo, die Kluft zwischen Albanern
und Serben, die hohe Arbeitslosigkeit (die immer noch bei 70% liegt),
die Kriminalität, konnten also bisher nicht gelöst werden. Völkerrechtlich
gehört Kosovo immer noch zu Serbien-Montenegro, obwohl die Mehrheit
der Kosovaren die Unabhängigkeit will. Die Uno-Re-so-lution 1244,
die für die Besatzungsmächte weiterhin als Maßstab gilt,
hat den endgültigen Status des Kosovos nicht definiert. Die nationale
Frage drängt also weiter zu einer Lösung!
Die Einzelstaaten der UN-Verwaltung haben die verschiedensten Interessen,
so z.B. den militär–strategischen Ausbau durch die USA, sowie die
Ausbeutung vorhandener Bodenschätze durch internationale Konzerne.
Die Selbstbestimmung der Bevölkerungsgruppen in Kosovo, ihre Bedürfnisse,
Wünsche und Vorstellungen könnten diese bereits begonnenen Vorhaben
durchkreuzen und in Frage stellen. Die Bestrebungen der einzelnen imperialistischen
Staaten macht alle Volksgruppen gegenüber den Besatzern immer misstrauischer,
was die bürgerlichen Medien auch gar nicht mehr verschweigen können:
„Die Provinz steht seit 1999, als Nato-Streitkräfte serbische
Truppen vertrieben, unter der Verwaltung der Vereinten Nationen. Die Mehrheit
der Kosovo-Albaner will die Unabhängigkeit von Serbien-Montenegro,
Belgrad will das verhindern. Die Stimmung ist schlecht, die Kosovaren
leiden unter der ungelösten Unab-hängig-keits-Frage und der
wirtschaftlichen Lage. Die von den Vereinten Nationen berufenen Verwalter
genießen wegen der zähen Entwicklung kein allzu großes
Vertrauen der Bevölkerung.“ (SZ, Gerhard Fischer, 29.07.03)
Wir von der Organisation für den Aufbau einer kommunistischen Arbeiterpartei
Deutschlands propagieren keineswegs die Kleinstaaterei, noch stellen wir
die nationale Frage deshalb, um zu provozieren. Die nationale Frage stellt
sich aus der konkreten Situation Kosovos. Eine Provokation stellt die
Losung der nationalen Frage jedoch für all jene unter den „Linken“,
die es sich zu einer Aufgabe gemacht haben „Slobo“ zu verteidigen.
Ein beträchtlicher Teil der deutschen „Linken“ will die
Unterdrückung der Kosovaren weder unter Tito noch unter Milosevic
ehrlich untersuchen, macht also aus der Unterdrückung der Kosovo-Albaner
eine Bagatelle. Gegen den Willen der Mehrheit der Bevölkerung Kosovos
(90% Albaner) wird damit der Verbleib zu Serbien verteidigt oder zumindest
toleriert Für uns ist das Recht auf Selbstbestimmung der Völker
ein elementares demokratisches Recht, das Recht auf Lostrennung und Bildung
eines selbständigen Staates ist hierin mit eingeschlossen, was nicht
gleichzusetzen ist damit, dass wir keine Einzelfallprüfung befürworten,
noch damit, dass wir damit die Lösung aller Probleme gleichsetzen.
Wir rufen die LeserInnen von „ARBEIT ZUKUNFT“ dazu auf, sich
an einer Diskussion über dieses Thema mit zu beteiligen. (ro)
*Anmerkung: In der Überschrift habe ich die Gebietsbezeichnung der
mehrheitlichen Bevölkerung, der Albaner verwandt, weil dies auch
ihrer Forderungen entspricht, im Artikel übernahm ich jedoch die
Bezeichnung Kosovo, weil dies noch die offizielle Bezeichnung ist.